Thomas Müller hört auf: Das DFB-Team hat einen Nachfolger, aber ein Problem bleibt

Thomas Müller ist 137 Mal für die deutsche A-Nationalmannschaft aufgelaufen.

Das war es also. Als das DFB-Team am Abend des 5. Juli in Stuttgart gegen Spanien aus der EM 2024 ausgeschieden ist, hat nicht nur Toni Kroos das letzte Spiel seiner Karriere bestritten, Thomas Müller ist dabei auch zum letzten Mal für die deutsche Nationalmannschaft aufgelaufen.

Schon unmittelbar nach dem Schlusspfiff gab es entsprechende Spekulationen, am Montag, nur einen Tag nach dem EM-Finale, schuf der Routinier nun Fakten: "Ich drücke dem Team auf dem Weg zur WM 2026 ganz fest die Daumen – jetzt als Fan und nicht mehr als Spieler auf dem grünen Rasen. Servus! Man sieht sich."

Mit Thomas Müller tritt eine der größten Legenden ab, die jemals das DFB-Trikot übergestreift haben. In 14 Jahren ist er 131 Mal für die deutsche A-Nationalmannschaft aufgelaufen, lediglich Lothar Matthäus und Miroslav Klose kommen auf mehr Länderspiele. Und auch seine 45 Tore für Deutschland katapultieren ihn in die Spitzengruppe, nur fünf Spieler trafen häufiger.

Wenngleich der 34-Jährige zuletzt nur noch als Joker zum Einsatz gekommen ist, so ist es doch nicht vermessen zu behaupten, dass dieser Mann eine Lücke hinterlassen wird. Wobei dies nur eine Momentaufnahme sein dürfte, denn Julian Nagelsmann stehen gleich mehrere Spieler zur Verfügung, die in die Fußstapfen von Müller treten können.

DFB-Team: Deniz Undav kann Thomas Müller intern ersetzen

Ein Profi alleine, das ist ob der enormen Errungenschaften klar, reicht dafür aber nicht aus. Der Offensivmann prägte über ein Jahrzehnt das Spiel des DFB-Teams, aber auch die Stimmung innerhalb der Mannschaft. Schon bei seiner ersten WM gewann er mit seinen lustig-frechen Sprüchen, sei es ein Gruß an die Oma oder eine Botschaft an den Gegner, die Herzen der Fans.

Das hat in den vergangenen Monaten auch Deniz Undav geschafft. Der 27-Jährige ist erst im März Nationalspieler geworden, hat sich seither aber in Windeseile integriert. Vor dem Beginn der Heim-EM etwa gab er den Fans per Kamera eine Tour über das Camp der Nationalmannschaft. Diversen Mitspielern drückte er dabei Sprüche, amüsierte damit die Zuschauenden.

Video: YouTube/DFB

So ist er auch die ganze Saison über beim VfB Stuttgart aufgetreten. Gegen den FC Bayern etwa setzte er nach einem Duell mit Leverkusen einen Seitenhieb, indem er die Werkself und den VfB als die besten deutschen Teams bezeichnete.

Und auch an Müller selbst wandte sich Undav. "Richtung Fußball-Deutschland: Wir werden Europameister!Und an Thomas Müller: Wenn wir Europameister werden, dann rasiere ich dir eine Glatze!", kündigte er vor dem Turnier an. Schade, dass uns dieses Bild verwehrt geblieben ist. Auf derart kesse Sprüche muss dank Undav aber auch nach dem Müller-Abschied kein Fan des DFB-Teams verzichten.

Drei Profis können Müller im DFB-Team spielerisch ersetzen

Den 34-Jährigen nur auf seine kommunikativen Fähigkeiten zu reduzieren, wird ihm indes nicht gerecht. Seit seinem Debüt am 3. März 2010 sammelte kein anderer Spieler für den DFB so viele Siege (82) und direkte Torbeteiligungen (77; 45 Tore, 32 Assists) wie Müller. Dabei spielte er mal als Rechtsaußen, mal als Zehner und mal als Mittelstürmer. Er hat immer einen starken Einfluss genommen, in ganz unterschiedlichen Rollen.

Diese Flexibilität bringen glücklicherweise mehrere DFB-Profis mit. Das gilt vor allem für Jamal Musiala und Florian Wirtz, die langfristig ohnehin das Spiel der deutschen Nationalmannschaft prägen sollen. Nagelsmann hat schon bei der EM 2024 auf das Duo gesetzt. Obwohl noch Luft nach oben besteht, haben beide doch ihr fantastisches Potenzial angedeutet.

Jamal Musiala (l.) und Florian Wirtz (r.): Sie sollen Thomas Müller im offensiven Mittelfeld beerben.

Kai Havertz gehört ebenfalls in diese Riege, er kann sogar noch mehr Positionen bekleiden, als es Müller je musste. Auch wenn der Einsatz als Linksverteidiger ein einmaliges Experiment bleiben dürfte.

Thomas Müller hat Jamal Musiala beim FC Bayern eingearbeitet

Gerade Musiala wirkt wie ein logischer, legitimer Erbe Müllers. Beim FC Bayern spielt das Duo schon seit Jahren zusammen, der Youngster hat den Routinier dabei bereits als Fixpunkt in der Münchener Offensive abgelöst.

Und der 34-Jährige hat "Bambi" auch schon früh an die Hand genommen. So hat er ihm nicht nur gezeigt, wie man eine Bierflasche mit einer anderen Flasche öffnet, sondern auch Tipps für die Arbeit auf dem Platz gegeben. "In Bereichen wie Anlaufverhalten oder in welche Räume er soll, da ist er schon wissbegierig. Es ist auch auf dem Platz so, dass er dir folgt", berichtete Müller schon 2021.

Jamal Musiala (l.) hat sich einiges bei Thomas Müller abgeguckt.

Einzig in puncto Dribblings habe er dem Youngster nie Tipps geben können. "Das frage ich eher ihn", grinste der Routinier auf die für ihn so typische Art und Weise. Perspektivisch, das war für Müller früh klar, würde Musiala seinen Stammplatz übernehmen: "Joa ... irgendwann kann er ihn haben."

Unorthodoxer Raumdeuter: Thomas Müller ist schwer zu ersetzen

Das schwere Erbe des Weltmeisters von 2014 scheint also in guten Händen zu liegen. Sowohl menschlich als auch spielerisch. Ein Problem aber bleibt. Müller war gerade zu Beginn seiner Karriere schwer zu charakterisieren, erst im Laufe der Jahre zeichnete es sich ab: Der Offensivmann ist ein unorthodoxer Fußballer.

Oft genug sieht das, was der 34-Jährige so veranstaltet, ungelenk, ungeschickt aus. Und doch funktioniert es oft genug, es überrascht sämtliche Gegner. Was Müller macht, ist schwer vorherzusagen und damit auch schwer zu verteidigen.

Dazu zeichnet ihn ein Raumverständnis aus, wie es in diesem Jahrtausend wohl kein anderer deutscher Fußballer hatte. Nicht umsonst wird er ehrfurchtsvoll Raumdeuter genannt. Seine Läufe, in Kombination mit den unorthodoxen Bewegungen, sind wohl einmalig.

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Folglich dürfte es für dieses Besondere keinen Eins-zu-Eins-Ersatz geben, in jedem Fall kurzfristig nicht. Das ist schade und wird dem deutschen Spiel eine Facette nehmen.

Aber es ist auch in Ordnung, denn einen Spieler als neuen Thomas Müller oder als neuen Toni Kroos zu inszenieren, schafft nur unnötige, kaum zu stemmende Erwartungen. Nagelsmann wird andere Lösungen, andere Qualitäten in seinen Spielern finden müssen. Die Auswahl ist groß genug.