Bodo Wartke und "Barbaras Rhabarberbar": Mit Zungenbrechern zum Tiktok-Star

Millionen Menschen hören sich die Zungenbrecher von Bodo Wartke an.

Wenn ein Song auf Social Media sich einmal richtig durchgesetzt hat, gibt es kein Zurück mehr: Die Algorithmen laufen heiß, Accounts rund um die Welt teilen und befeuern das Lied, und schließlich ist es überall zu hören – so auch geschehen bei "Barbaras Rhabarberbar".

Der Künstler Bodo Wartke hat den eigentlich alten Zungenbrecher zusammen mit dem Comedian und Musiker Marti Fischer zu einem Rap erweitert und mit einem Beat unterlegt. Damit gelang ihm ein Durchbruch, mit dem er selbst nicht gerechnet hat.

Dabei ist Bodo Wartke kein Neuling: Seit bald drei Jahrzehnten schätzen Fans sein Klavier-Spiel und seine witzigen Texte – allerdings eher auf der Bühne. Watson will wissen, wie es ist, plötzlich Social-Media-Star zu sein.

"Mit Social Media ist es wie mit Religion: Man kann viel Gutes daraus machen, man kann auch viel Schlechtes daraus machen."

Watson: 50 Millionen Menschen haben auf Tiktok euren Tanz zu "Barbaras Rhabarberbar" gesehen. 900.000 folgen dir. Wie viele waren es vorher?

Bodo Wartke: Da kann ich leider keine Zahlen nennen. Es gab ja auch schon vor "Barbara" einen kleinen viralen Hit, nämlich "Der dicke Dachdecker" – ebenfalls ein Zungenbrecher. Und im Gegensatz zu dem, der sehr plötzlich viral ging, hat es bei "Barbara" viel länger gedauert: Im Dezember wurde es veröffentlicht und erst im April haben reichweitenstarke Leute angefangen, den Song für ihre Videos zu benutzen.

Und dann?

Schließlich landete er bei den beiden Australierinnen Stephanie Graham und Christina Anastasiadis, die sich einen Tanz dazu ausgedacht haben, und dann ging es erst richtig los: Den haben dann nämlich die ganzen Tanz-Influencer nachgetanzt und es wurde zu dem Welthit, der er jetzt ist.

Das klingt unberechenbar. Kann man auf so einen Erfolg, der ja auch auf Algorithmen basiert, überhaupt bauen?

Ich glaube nicht. Aber das tun wir auch nicht. Es war ja gar nicht der Plan, einen viralen Welthit zu schreiben, sondern es hat sich zufällig ergeben. Zumal es mich total überrascht hat, dass Lieder aus deutschen Zungenbrechern für ein internationales Publikum interessant sein können. Also ich glaube, das kann man nicht kalkulieren. Das Wichtigste ist für mich ohnehin, Spaß daran zu haben. Denn die Freude, die ich an der Musik und der Sprache habe, und die Marti und ich auch teilen, ist am Ende auch die Freude, die sich überträgt, wenn die Leute sich die Videos anschauen.

Und dafür muss man offenbar nicht mal Deutsch verstehen.

Genau. Das finde ich auch besonders schön daran, dass sich diese Freude sogar über Länder-Grenzen hinwegsetzt: Mich hat ein Video erreicht, in dem Kinder aus Uganda zu "Barabaras Rhabarberbar" tanzen. Also Kinder aus Afrika tanzen die Choreografie, die sich zwei Australierinnen zu einem deutschen Zungenbrecher ausgedacht haben. Mein Kommentar unter dem Video: "We are one world!"

Das ist eine erfrischend positive Seite von Social Media, denn so häufig zeigt sich ja auch eine ganz andere Seite, nämlich die Hass-Kommentare. Kommen die auch bei euch vor?

Die gibt es natürlich auch, klar – das Internet halt. Aber in diesem Fall weniger wahrnehmbar, weil das positive Feedback zu groß ist.

Und wenn es doch mal Hate gibt, wie gehst du damit um?

Ich sehe das so: Man kann das Schlechte an Social Media nicht verhindern, man kann ihm aber was Gutes entgegensetzen. Also natürlich verbreitet sich da Hass und Hetze, aber positiver Content, der Freude überträgt, kann sich auch wie ein Lauffeuer verbreiten. Mit Social Media ist es wie mit Religion: Man kann viel Gutes daraus machen, man kann auch viel Schlechtes daraus machen.

"Von Streaming kann auch ich nicht leben, der jetzt einen internationalen Welthit geschaffen hat – das ist grotesk."

Die Zungenbrecher sind ja nicht das einzige, was du machst: Du spielst Klavier, singst, tanzt, und spielst eigene Theater-Stücke. Wird dein Internet-Aufstieg deine Kunst verändern?

Die Zungenbrecher sind schon jetzt Bestandteil meines Bühnenprogramms. Worauf ich hoffe, ist, dass ich die Leute, die mich jetzt entdecken, dazu inspirieren kann, auf meine Live-Konzerte zu kommen. Denn man muss ja der heutigen Tatsache ins Auge sehen: Von Streaming kann auch ich nicht leben, der jetzt einen internationalen Welthit geschaffen hat – das ist grotesk. Also von Tiktok und Instagram kriegen wir lächerlich wenig Geld und von Spotify insgesamt zu wenig, das muss man einfach mal sagen.

Die Einnahmen auf Instagram und Tiktok laufen eher über Werbung.

Ja, und da kommen jetzt auch Anfragen rein, aber ich tue mich damit total schwer. Ich finde halt Werbung ganz, ganz unangenehm – selbst dann, wenn sie gut gemacht ist. Und ich möchte mich nicht dadurch korrumpieren lassen und meine künstlerische Glaubwürdigkeit und Ideale verraten.

Du redest jetzt von Werbung mit dir selbst als Werbe-Figur?

Genau. Aber auch Werbe-Anzeigen, die man in Videos schalten kann, habe ich bisher vermieden, wo es ging. Man kennt das ja auch selbst: Man will sich was angucken, die Werbung fängt an und man wartet nur darauf, es wegklicken zu können. Das nervt total und ich will die Leute nicht damit vollspammen.

"Ich möchte dadurch nicht meine künstlerische Glaubwürdigkeit und Ideale verraten."

Deswegen...

...sieht mein Geschäftsmodell vor, dass die Leute zu mir ins Konzert kommen. Ich behaupte auch, wer die Zungenbrecher mag, wird auch dort Freude haben, denn die Liebe zum Reimen und zum Wortspiel zieht sich ja wie ein roter Faden durch mein ganzes Werk.

In seinem Lied "Hambacher Wald" verurteilt Bodo Wartke den Braunkohle-Abbau von RWE., Video: YouTube/MISS-VERSTEHEN SIE MICH RICHTIG

Deine Lieder auf der Bühne sind ähnlich humorvoll wie die Zungenbrecher. Du singst aber auch gegen Rassismus und ungeeignete US-Präsidenten, oder weist auf den Klimawandel hin. Warum ist dir das ein Anliegen?

Ich finde es reizvoll, wenn in einer Show beides stattfindet: Wenn das Publikum Tränen der Rührung ebenso wie Tränen vor Lachen vergießt. Gleichzeitig frage ich mich dabei aber nie: Wie muss ich es machen, damit es viele Leute sehen wollen – also das, was Werber sich fragen. Sondern ich teile den Leuten einfach nur mit, was mir auf der Seele brennt. Und wenn das für andere Menschen gute Laune, gutes Entertainment oder bei ernsten Themen sogar Trost oder Halt bedeutet, dann freut mich das total!

Als Klavier-Kabarettist schreibst du gerade an deinem neuen Programm. Was kannst du dazu schon sagen?

Auch da werden die Zungenbrecher drin vorkommen, genauso wie akute gesellschaftliche Themen, diskursive Lieder und viel Humor. Einen Titel verrate ich noch nicht, aber Tickets zu der Tour im Dezember gibt es bereits.